Eine Ode an den Palinka

Es gibt wohl kaum einen besseren Weg, um einen ehrlichen Blick in die Seele einer Nation zu erhaschen, als ihr Nationalgetränk. Fast jedes Land hat eine eigene destillierte Spirituose, die lebendiger Bestandteil der lokalen Kultur und Tradition ist – in Ungarn ist dieses Getränk der Pálinka. 

Die Grundidee des Pálinka ist ganz einfach: man nehme einige gute heimische Früchte und absolut nichts weiter und destilliere daraus einen Geist. Das erfolgt in kleinen Chargen, manchmal nur mit einer Fruchtsorte, manchmal mit mehreren verschiedenen. Der Pálinka kann noch in Fässern gereift werden, was aber nicht sein muss. Alles dreht sich beim Pálinka um die reinen Aromen der Früchte, die im ländlichen Ungarn wachsen. Die Destillation vereint sie schließlich alle in einem kleinen Glas.

Die Schönheit des Pálinka liegt in seiner Einfachheit: nichts verdeckt die wahren Aromen der Früchte, aus denen er entstanden ist. Nur die besten Früchte, auf sorgfältigste Weise destilliert, ergeben einen wirklich großartigen Pálinka. Wo es frische Früchte gibt, kann jeder überall Pálinka machen, aber das Getränk wird immer die Qualität der Früchte und das Geschick des Brenners offenbaren. Denn, das Destillieren von Pálinka ist Wissenschaft und Kunst gleichermaßen: es ist ein heikler Prozess – und nur jemand, der wirklich die Wissenschaft dahinter versteht, kann ein echter Experte werden.

Natürlich ist Pálinka viel mehr als nur ein Getränk. Pálinka ist Tradition und Ritual, er gehört zu jeder Feier und jedem Kummer im Land. Jeder Ungar kennt jemand, der ihn zuhause brennt. Wie auch immer, wenn zu einer Party eine Cola-Flasche mit handschriftlichem Etikett und klarer Flüssigkeit darin mitgebracht wird, weiß das ein jeder zu würdigen. Zufälligerweise ist Pálinka auch eines der wenigen Wörter aus der schwierigen ungarischen Sprache, an das sich die Gäste nach ihrem Besuch erinnern… Nun sollte klar sein, dass Pálinka ein so typisch ungarisches Getränk ist, wie man es sich nur vorstellen kann. Aber wie bei allen Dingen in Mitteleuropa kann man sich in den Nachbarländern umhören und findet viele ähnlich klingende Getränke – Palincă, Pálenka, Rakia, Rakija und natürlich Schnaps.

Jedes Land und jede Region weist gewisse Unterschiede bei Aromatik und Stil auf. Überall werden Einheimische natürlich immer auf ihr Rezept in ihrer Region schwören, aber die Grundidee bleibt immer gleich: man sei stolz auf die besten Produkte aus der Gegend und erzeuge daraus ein Getränk, das man in guter Gesellschaft teilt und genießt.

Wie so oft liegt der ungarische Stil irgendwo zwischen Nord und Süd, Ost und West. Auf halben Wege zwischen dem aromatischen, leichteren Stil von Schnaps / Obstler in Österreich und Deutschland sowie dem robusten vollmundigen Stil vom Balkan und aus Rumänien. Pálinka aus Ungarn präsentiert eine ausgewogene Mischung der Einflüsse und Aromen aus Mitteleuropa: weich und aromatisch, aber mit vollmundigem und intensivem Stil, der die Aromen der Früchte, aus denen er entstanden ist, bestens zur Geltung bringt.

In Ungarn gibt es bestimmte Regionen, die für den Anbau einer bestimmten Frucht berühmt sind. Aprikose aus Gönc, Pflaume aus Szatmár und Apfel aus Szabolcs, um nur einige zu nennen, sind Sorten mit geschützter Herkunft und strengen Vorschriften, da sie besonders geschmacksreich sind und einige der besten Pálinka ergeben. Andere gängige Obstsorten, die für Pálinka verwendet werden, sind Kirsche, Birne, Quitte, schwarze Johannisbeere und viele mehr.

Die Herstellung ist relativ einfach: Zunächst müssen die Früchte wie Wein vergoren werden. Abhängig von der Obstsorte bedeutet dies normalerweise, dass die Frucht zuerst zerdrückt wird, um ihre Säfte freizusetzen. Hefe frisst dann den Zucker und verwandelt ihn in Alkohol, genau wie beim Wein. Anschließend erfolgt die Destillation: Der vergorene Fruchtsaft wird erhitzt, und da Alkohol bei einer anderen Temperatur verdampft als Wasser und andere Saftbestandteile, kann er von der restlichen Flüssigkeit getrennt werden.

Das Destillieren kann auf zwei Arten erfolgen: Die traditionelle Methode besteht darin, es in Chargen zu tun, normalerweise unter Verwendung traditioneller „Kisüsti“-Kupfertöpfe. Hier wird die gesamte zu destillierende Flüssigkeit auf einmal in den Topf gefüllt und das Ergebnis ist ein intensiver, aber manchmal rauer, klassischer Pálinka-Stil. Beim „kontinuierlichen Verfahren“ hingegen werden Destilliertürme verwendet, die ständig mit mehr zu destillierender Flüssigkeit befüllt werden können, was eine gleichmäßigere Qualität und einen weicheren, aromatischeren Geschmack ermöglicht.

Während viele Destillateure immer noch die traditionelle Methode verwenden, haben viele andere dank des eleganten, ausgewogenen Stils der Pálinka, die sie produziert, auf die kontinuierliche Methode umgestellt. Auch Bestillo, einer der Top-Produzenten in Ungarn, bevorzugt diese Methode, was sich im Duft und der Ausgewogenheit ihrer Spirituosen zeigt.

Vermutlich zeigen Pálinka und seine Geschwister nicht nur die Essenz des ungarischen Geistes, sondern aus ganz Mitteleuropa: würzig, leidenschaftlich und aromareich, geformt aus einer wechselseitigen Mischung von Einflüssen, die sich gegenseitig über die Jahrhunderte „befruchtet“ haben. Selbst wenn verschiedene Länder verschiedene Namen verwenden, so offenbart Pálinka doch, wie viele enge Bande diesen facettenreichen und mannigfaltigen Teil Europas verbinden. Unser Tip: Pálinka trinkt man bestens langsam, in kleinen Schlucken, statt den Glas auf einmal zu leeren. Es brennt weniger und man merkt die Fruchtaromen intensiver.