Kein ungarischer Wein war jemals so berühmt wie die hochwertigen natürlichen Süßweine der Region Tokaj – die Tokaji Aszú (Tokajer Ausbruch). Während süße Weine heutzutage nicht gerade in Mode sind, sind Aszú-Weine einfach köstlich. Einfacher gesagt: sie gehören zu jenen Dingen, die man im Leben mal probieren muss.
Ursprünge des Tokaji (Tokajers) *
Der Legende nach kelterte Laczkó Máté Szepsi, Urahn von István Szepsy, im Jahre 1630 die ersten Aszú-Weine. Wie bei allen mittelalterlichen Legenden mag das wahr sein oder auch nicht. Jüngste Nachweise deuten in dem Gebiet auf eine Aszú-Erzeugung fast hundert Jahre vor den ersten Weinen von Szepsi hin. Sicher wissen wir aber, dass Tokaj dank seiner köstlichen Weine rasch zu einer führenden Weinregion Europas wurde. Ludwig XV bemerkte zu Madame Pompadour, dass Tokajer der “König der Weine, Wein der Könige” sei und die russischen Zaren hatten im 18. Jahrhundert eine direkte Vertretung in der Region, um sicherzustellen, dass die besten Tokajer an ihren Hof geliefert werden. Die Klassifizierung der besten Weinlagen begann 1730, womit diese Region die weltweit erste wurde, die eine offizielle Klassifikation und ein Qualitätssystem besaß.
Eine Kombination verschiedener Faktoren macht die Aszú-Weine so spannend: ihre einzigartigen Rebsorten, die vulkanischen Böden des Tokaj und das spezielle Mikroklima mit Herbstnebel, wodurch sich Botrytis, die Edelfäule, auf den Trauben entwickeln kann und ihnen das einzigartige Aroma verleiht. Schauen wir uns das genauer an:
Furmint, Hárslevelű und Gelber Muskateller sind die drei Hauptrebsorten für den Aszú. Die Charakterstärke und Mineralität des Furmint, die reichhaltigen und warmen Aromen des Hárslevelű und die blumig fruchtigen Aromen des Gelben Muskatellers verbinden sich zu einem Wein mit explodierenden Aromen, die vulkanischen Böden der Region verleihen den Weinen eine erfrischende Säure und eine zusätzliche Aromenschicht, welche die Süße der Weine ausbalanciert. Die Süße entsteht durch eine Lese der Trauben später als gewöhnlich im Jahr, wodurch sich darin zusätzlicher Zucker aufbauen kann, und am wichtigsten, Tokaj liegt direkt am Zusammenfluss von Bodrog und Theiß, deren Feuchtigkeit im Herbst Nebel entstehen lässt, die in die Hügel hinaufsteigen. Wenn die Trauben bis spät im Jahr am Rebstock verbleiben, kann sich daran Edelfäule (Botrytis) bilden. Genau wie bei Blauschimmelkäse verstärkt dies die Aromen in den Trauben und ergänzt den Wein noch um eine weitere, finale Ebene der Komplexität.
Wie macht man Aszú
Ein Teil der Trauben für den Wein wird zur normalen Erntezeit oder etwas später gelesen, genau wie für die Bereitung eines trockenen Weines. Das ist der erste Schritt zur Aszú-Bereitung. Dann beginnt die Wetterlotterie.
In den nächsten Wochen oder Monaten warten die Winzer mit Nerven aus Stahl und beobachten, wie die Witterung kälter wird. Dabei hoffen sie, dass keine Starkregen oder plötzlichen Fröste eintreten, hoffen, dass die Nebel wie gewünscht aufsteigen und die Trauben nur von Edelfäule befallen werden, nicht aber von bösen Erkrankungen oder anderen Gefahren. Falls irgendetwas schiefgeht, ist ein Großteil ihrer Ernte verloren und sie müssen es im nächsten Jahr wieder versuchen. Wenn alles klappt, beginnen sie die Ernte der edelfaulen Beeren und Trauben per Hand, oft mehrmals am Tag, um sicher zu sein, dass jede Traube gerade für den nächsten Schritt richtig ist – die Bereitung der Aszú-Maische durch Zerstampfen dieser Beeren.
Dann wird Most oder Wein aus dem ersten Schritt auf diese Maische gegeben und darf ein oder zwei Tage lang hineinsickern. Anschließend kann der Wein gären und mehrere Jahre lang reifen. Das Ergebnis ist etwas Außergewöhnliches: ein Explosion von Aromen, von frischer Fruchtigkeit bis zu üppigen Honignoten und weiter zu vulkanischer Mineralität, verbunden mit einem frischen Ausbruch der Säure zum Ausgleich der dichten Süße des Weines.
Traditionell werden Tokajer Aszú mit 3, 4, 5 oder 6 Puttonyos (3, 4, 5 oder 6-büttig) etikettiert, basierend auf der Menge an “Puttonyos” oder Bütten der gesammelten Aszú-Beeren, die dem Wein hinzugefügt wurden. Heute werden die Kategorien nach ihrem Zuckergehalt entschieden: Weine mit mindestens 60 Gramm Zucker pro Liter können „3 Puttonyos“ genannt werden. Und mit jeder Zahl steigt der Maßstab. Das ist jedoch nur ein Mindestwert. Viele Winzer verwenden höhere Zuckergehalte als die Mindestvorgaben für ihre Kategorie.
3 Puttonyos – 60g/l Restzucker
4 Puttonyos – 90g/l Restzucker
5 Puttonyos – 120g/l Restzucker
6 Puttonyos – 150g/l Restzucker
Aszú-Weine müssen weiterhin mindestens drei Jahre gereift sein, wovon mindestens zwei Jahre in einem Eichenfass erfolgen müssen.
Tokaj in Zukunft
Haben Sie sich alle obigen Vorschriften und die Werte der Puttonyos gemerkt? Gut, in ein paar Jahren können Sie das alles vergessen. Seit 2013 können die Winzer nur Aszú-Wein mit mindestens 120g/l Restzucker bereiten und die meisten Winzer werden wohl in Zukunft nur noch einen Top- Aszú erzeugen. Selbst wenn die Stufen der Puttonyos bleiben, werden sie irrelevant, da alle Aszús mindestens soviel Zucker haben werden, wie derzeitig ein 5-büttiger. Andere sonderbare und weniger bekannte Weinstile wie Máslás und Fordítás, die durch erneute Verwendung des Trubs oder der Aszú-Maische für einen zweiten Wein entstehen, werden wohl ebenso verschwinden.
Ziel dieser Änderungen ist es, die Weinkategorien der Region zu vereinfachen sowie Qualität und Ansehen der Aszú-Weine zu steigern. Wir erwarten aber auch, dass andere Varianten süßer Weine, die erschwinglicher sind, etwa Weine wie Szamorodni und Spätlese, beliebter (und leckerer!) werden. Sie bieten eine tolle Chance, etwas von den Aromen und der Komplexität der Aszú-Weine zu einem günstigeren Preis zu erleben. Lese hier mehr über Szamorodni >>>
Wir werden sehen, was die Änderungen mit sich bringen. Aber in einem Punkt sind wir uns sicher: Aszú wird weiterhin einer der herausragenden Weine der Welt sein.
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*Eine kleine Lektion Ungarisch: “-i” am Ende eines Wortes bedeutet auf Ungarisch “von/aus”. So heißen Weine aus Tokaj eben Tokaji, Weine aus Villány sind Villányi und so weiter.